Verfolgung und Flucht aufgrund der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität

Rainbow Refugees im Interview

Kein Mensch sollte dafür in Gefahr geraten, wen er liebt oder wer er ist. Dennoch müssen weltweit immer noch Menschen fliehen, weil sie allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden. In 62 Staaten wird Homosexualität noch immer strafrechtlich verfolgt, in 12 Ländern droht sogar die Todesstrafe.1 Trans-Menschen werden in 14 Staaten kriminalisiert und werden auch in Europa vermehrt Opfer gewalttätiger Taten und offener Diskriminierung.

Neben der rechtlichen Verfolgung leiden viele LGBTQI+-Geflüchtete zudem auch unter Bedrohung und Diskriminierung ihrer eigenen Familien oder Bekannten. Im Folgenden sind ausgewählte Zitate verschiedener Geflüchteter Personen aufgeführt, die mittlerweile ein Zuhause bei den rainbow-refugees (à Verlinkung Artikel rainbow-refugees) in Schwäbisch Gmünd gefunden haben.2

Warum bist du aus deinem Land geflüchtet?

„In meinem Land ist Homosexualität verboten. Die Polizei wollte mich festnehmen und ich hätte drei Jahre Gefängnis bekommen.“

„Mein Partner wurde mit Benzin übergossen und angezündet. Ich wurde festgehalten und gezwungen zuzusehen, wie er schreiend bei lebendigem Leib verbrannte.“

„Mein Partner und ich waren in einer Tanzgruppe und wurden von religiösen Aktivisten bedroht, wir sollen das bleiben lassen. Tanzen sei unislamisch.“

„Man wollte mich zwingen eine Geschlechtsumwandlung vornehmen zu lassen. Ich bin jedoch ein Mann und lebe mit männlicher Identität, auch wenn ich schwul bin.“

„Als lesbische Frau wäre ich zwangsverheiratet worden. Bei Widerstand hätte ich um mein Leben fürchten müssen, weshalb ich geflohen bin.“

„Ich komme aus dem Gazastreifen, wo die Hamas herrscht. Ein Versuch, in Israel zu leben, scheiterte, weil man dort meinen Fluchtgrund als Palästinenser nicht anerkannte. So floh ich in die EU.“

„Meine Familie verfolgte mich quer durch Tunesien, sodass ich nirgends sicher war, weil sie mich mit Ehrenmord bedrohten.“

[1] Ilga: Die ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) Database ist eine umfangreiche Ressource, die Informationen über die rechtliche Situation und den gesellschaftlichen Status von LGBTI-Personen weltweit bereitstellt. https://database.ilga.org/juridictions-profiles (Abruf: 05.06.2024).

[2] Die Aussagen beruhen auf Gesprächen, die wir im April/Mai 2024 mit verschiedenen Rainbow-Refugees führten. Zum Schutz der entsprechenden Personen, führen wir an dieser Stelle keine Namen auf.

Wie fühlst du dich jetzt in Deutschland?

„Ich sehne mich nach meiner Mutter und es bricht mir beinahe das Herz, dass ich nur mit ihr telefonieren kann.“

„Meine Eltern haben mich verstoßen und ich weiß, dass ich meine Familie nie wiedersehen werde.“

„Einerseits hoffe ich, hier in Europa frei leben zu können, andererseits fürchte ich, dass durch Getratsche in der afghanischen Community meine Homosexualität meinen Eltern in Afghanistan bekannt wird und mein Vater, der herzkrank ist, womöglich einen tödlichen Infarkt erleidet. Und ich wäre daran schuld.“

„Ich möchte am liebsten alles vergessen, was ich in meinen ersten 25 Jahren erlebt habe. Ich beginne erst jetzt zu leben.“

„Ich habe Nigeria hinter mir gelassen. Und ebenso mein bisheriges Leben. Ich möchte nie wieder nach Nigeria zurück. Ich bin schwarz, aber ich bin jetzt Europäer.“

„Irgendwo ist es schon witzig. Ich bin schwarz, aber meine Freunde sagen, ich bin schon ein Schwabe.“

„Ich bin sicher, ich weiß, dass mir hier niemand etwas tun kann und ich kann frei leben.“

„Die Sprache bereitet mir Probleme. Ich bin trotz Schulpflicht nicht viel zum Unterricht gegangen, weil ich schon als Kind arbeiten musste. Jetzt fehlt mir die Fähigkeit zur Konzentration, die ich beim Lernen bräuchte.“

„Es erstaunt mich, dass in Deutschland für eine qualifizierte Berufstätigkeit eine Ausbildung Voraussetzung ist. In Kamerun wird man angeleitet und das ist es dann auch.“

Was sind deine Zukunftspläne?

„Ich mache derzeit eine Ausbildung als Pflegefachkraft und hoffe, in diesem Beruf erfolgreich zu sein.“

„Ich orientiere mich derzeit ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen, weiß aber noch nicht, wo ich landen werde. Einerseits arbeite ich gerne mit Kindern, andererseits interessiere ich mich sehr für Kunst und Kultur.“

„Eine Ausbildung werde ich wohl nicht mehr schaffen. Deshalb möchte ich in einer Fabrik arbeiten und mich dort anlernen lassen.“

„Ich habe eine Ausbildung in der Pflege erfolgreich abgeschlossen. Meine Arbeitgeberin hat mich allerdings mit Falschabrechnungen versucht, über den Tisch zu ziehen, woraufhin ich nach meiner Ausbildung die Branche gewechselt habe. Da ich anscheinend gut arbeite und mein Deutsch nahezu perfekt ist, mache ich jetzt in der Metallindustrie einen guten Job.“

„Für eine Ausbildung bin ich schon zu alt, weshalb ich jetzt als Leiharbeiter in verschiedenen Jobs tätig bin.“

„Für mich ist es unvorstellbar, staatlich alimentiert zu werden. Ich habe deshalb von Anfang an darauf geachtet, dass ich schon mit meiner Ausbildungsvergütung so weit klargekommen bin, dass ich von niemandem Geld brauchte. Es ist mir wichtig, in jeder Hinsicht auf eigenen Beinen stehen zu können.“

„Ich habe in jeder Hinsicht Hilfe bekommen. Heute bin ich beruflich erfolgreich und engagiere mich nebenbei ehrenamtlich; so kann ich in meiner neuen Heimat Deutschland der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ 

Foto: Aidshilfe Schwäbisch Gmünd e.V.

Literaturverzeichnis
Ilga Database, in: https://database.ilga.org/juridictions-profiles (Abruf: 05.06.2024).
Verbotene Liebe — Joschi Moser, in: Veto – Magazin für Protest und Verantwortung, https://veto-mag.de/joschi-moser/, (Abruf: 05.06.2024).

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