Farbe als Antwort: Der Gmünder Maler Hermann Hörner

Hermann Hörners Name ist nur noch wenigen bekannt. Einst gehörte der begabte Maler zu den vielversprechendsten Nachwuchskünstlern Deutschlands. Seine Bilder hingen in den 1920er Jahren neben denen großer Kunstschaffender und beeindruckten Publikum und Kritiker gleichermaßen. Im Nationalsozialismus galten seine Werke als „entartet“. Hätten die Nazis gewusst, dass Hörner gleichgeschlechtlich liebte, hätten sie nicht nur seine Kunst verfemt, sondern ihn selbst verfolgt. Hörner hatte seine Homosexualität nie thematisiert, stattdessen war Farbe sein wichtigstes Ausdrucksmittel. Mit ihr konnte er auf der Leinwand eine Vielfalt abbilden, die ihm im Leben versagt war.[1]

„Verlorene Generation“ – so werden Kunstschaffende bezeichnet, deren freie künstlerische Entfaltung durch Krieg und Nationalsozialismus ausgebremst wurde. Hermann Hörner ist einer von ihnen. Seine Gemälde galten nach 1933 als „entartet“. Seine Karriere als Maler war damit so gut wie vorbei. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen: Hörner entstammte einer alten Gmünder Handwerkerfamilie. Sein Vater, Johann Hörner, betrieb in der Hospitalgasse einen Malerbetrieb, sodass Farbe seit seiner Geburt 1903[2] ein wichtiges Element in seinem Leben gewesen sein musste.

Seine künstlerische Ausbildung begann er beim Gmünder Kunstmaler Alois Schenk. Weitere Stationen waren die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart (1920-22), die Kunsthochschule Berlin (bis 1926) und die „Ecole de Beaux Arts“, die älteste und berühmteste Kunstschule in Paris (bis 1928). Ab 1929 verlegte er seinen Wohnsitz nach Berlin.[3] Dort beeindruckte er mit seinem Stil. Seine Werke hingen in der renommierten Galerie Nierendorf oder in der Ausstellung „50 ausgewählte Werke heutiger Kunst“ im Verlagshaus Reckendorf, neben George Grosz oder Karl Schmidt-Rottluff.

Sein Stadtbild „Blick auf Berlin“[4] besprach der bekannte Kunstkritiker Willi Wolfradt mit lobenden Worten:

„Eine Totalansicht, wie sie der junge Hermann Hörner in seinem von der Höhe des Witzlebener Funkturms[5] herunter […] gegeben hat, ein umfassendes Panorama der Großstadt hat man gleichwohl noch nicht zu geben gewagt. Der […] Versuch, den Riesenkomplex des Häusermeeres Berlin auf die Leinwand zu bannen, hat in seiner kühnen Eigenart etwas Sensationelles.“
Willi Wolfradt, Kunst der Zeit[6]

Doch der Erfolg hielt nicht mehr lange an. Hörner wurde 1933 aus der Öffentlichkeit gedrängt. Als „entarteter“ Künstler verschwand Hörner zunehmend aus der Öffentlichkeit.[7] Dieser Rückzug hatte jedoch auch eine positive Seite: Sein Privatleben geriet nicht mehr ins Rampenlicht.

Hermann Hörner war schwul und lebte mit seinem ungarischen Partner Jenö Havasi zusammen. In seiner Familie und seinem Freundeskreis war dies kein Geheimnis. Havasi war ebenfalls Künstler und arbeitete als Schauspieler unter dem berühmten Intendanten Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin. Das Paar bildete eine illustre Gemeinschaft. Da Hörner praktisch Berufsverbot hatte, wechselte er den Beruf, blieb jedoch der Kunst treu. Gemeinsam bauten sie eine Firma „Hörner&Havasi“ auf, die Intarsienkunst mit Gebrauchsgegenständen kombinierte. Als die zivile Produktion zu Beginn des Zweiten Weltkriegs immer mehr eingeschränkt wurde, stiegen die beiden auf die Produktion von Transformatoren für die Rüstungswirtschaft um.

Herman Hörner mit seinem Freund Jenö Havasi (Quelle: Privatbesitz)

Nach schwerer Krankheit starb Havasi im Dezember 1942 in Berlin Charlottenburg. Seine Beisetzung erfolgte unter großer Anteilnahme auf dem Gmünder Leonhardsfriedhof. Vielleicht aus dem Bedürfnis nach einem neuen Partner, vielleicht aber auch, um sich vor einer möglichen Verfolgung durch die Nazis zu schützen, heiratete Hörner Alina Grupp. Die Ehe hielt bis nach dem Krieg und wurde 1949 geschieden. Zu diesem Zeitpunkt lebte Hörner wieder in Schwäbisch Gmünd. Um sich und seine Frau vor der anrückenden Sowjetarmee zu retten, hatte er seinen Betrieb und damit auch seinen Wohnsitz in seine Heimatstadt verlegt.

Im Nachkriegsdeutschland kehrte Hermann Hörner wieder zu seiner wahren Leidenschaft, der Malerei, zurück. Seine Werke erstrahlten in ungeheurer Farbenpracht. Inspiration fand er auf zahlreichen Reisen nach Griechenland, Italien, Spanien und in die Türkei. Spätestens ab den 1960er Jahren begleitete ihn auf diesen Reisen sein neuer Partner Antonio Arroyo, ein Spanier, der durch das Wirtschaftswunder nach Schwäbisch Gmünd gekommen war. Arroyo war ebenfalls an seiner Seite, als Hörner auf seiner letzten Reise in Terracina, Italien, 1967 einem Herzinfarkt erlag. Hörners Familie, die ihn aufgrund seiner sexuellen Orientierung nie verstoßen hatte, begrub ihn im gemeinsamen Familiengrab. Seine Todesanzeige, in welcher „der Freund“ an erster Stelle genannt wurde, zeugt von diesem, in jener homophoben Zeit, einmaligen Familienverhältnis.

Todesanzeige Hermann Hörner

Literaturverzeichnis
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Einhorn, Illustrierte Zeitschrift zur Pflege des Heimatgedankens in Stadt und Kreis Schwäbisch Gmünd, Dezember 1964, Heft 66, S. 323-327.

Archivalische Quellen
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Interviews mit Gudrun Hörner, 24.06.2024 und M.F., 06.06.2024.
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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe, Heft-Nr. 7, April 1930, S. 161, in: Universitätsbibliothek Heidelberg, digitale Bestände, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HCVGWERJKIHDCNWHBTBQMB2KLPDYVJ4C, (Abruf: 01.07.2024).
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Geburtenregister zu Hermann Hörner (Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, A13.10.01, Bd. 29, Bl. 146).
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Gmünder Tagespost 17.03.1962 (Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, Best. C03.37).
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Todesanzeigen Herman Hörner, Gmünder Tagespost und Rems-Zeitung, 22.09.1967 (Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, Best. C03.37).

[1] Kernaussagen dieses Artikels beziehen sich auf die Interviews mit Gudrun Hörner, 24.06.2024 und M.F., 06.06.2024.

[2] Lebensdaten: 29.03.1904-15.09.1967. Siehe dazu: Geburtenregister zu Hermann Hörner (Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, A13.10.01, Bd. 29, Bl. 146).

[3] Einhorn, Illustrierte Zeitschrift zur Pflege des Heimatgedankens in Stadt und Kreis Schwäbisch Gmünd, Dezember 1964, Heft 66, S. 323-327.

[4] Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe, Heft-Nr. 7, April 1930, S. 161, in: Universitätsbibliothek Heidelberg, digitale Bestände, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HCVGWERJKIHDCNWHBTBQMB2KLPDYVJ4C, (Abruf: 01.07.2024).

[5] Heute Berliner Funkturm.

[6] Ebd. S. 160.

[7] Artikel Rems-Zeitung, 17.03.1962 (Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, Best. C03.37).

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