Das erste Queer Film Festival Gmünd – QFFG

geschrieben von Sera Heller, Mitbegründer*in des QFFG, am 14.03.2024

Zur Eröffnung des Queer Film Festivals Gmünds startete der Oberbürgermeister Richard Arnold seine Begrüßungsrede mit folgenden Worten:
„In der 861-jährigen Geschichte von Gmünd ist es eine Premiere: das erste queere Film Festival.“ Dies sei für eine freiheitliche, offene, humane Stadtgesellschaft wichtig. Recht hat er! Als schwuler Oberbürgermeister ist ihm dieses Projekt auch eine Herzensangelegenheit.

Und trotzdem: Nach knapp 15 Jahren ziehe ich 2022 in meine Heimatstadt zurück und erlebe, trotz schwulen OB, eine gähnende Leere an Angeboten, die sich an die LGBTIQ+ Community richtet. Jede*r zehnte Mensch ist statistisch queer. Bei einer Stadt wie Gmünd müsste es als rund 5.000 Queers geben? Wo sind sie nur und wie kann ich mich mit ihnen vernetzten? In welche Kneipen gehen sie? Laufen queere Filme in den Kinos?

Für mein eigenes Wohlbefinden und damit definitiv auch aus eigenem Interesse, beschloss ich diese Lücke selbst zu schließen – zumindest wollte ich es versuchen.

Warum aber ein Film Festival? Dazu las ich zur Berlinale 2023 ein berührendes und einprägsames Zitat in der Zeitung:

„Gerade Diktaturen sind gegen den Film, weil Film, weil Kino so eine enge Verbindung zum Publikum, zu den Menschen hat. Es gilt weltweit: Wenn man um Freiheit kämpfen will, dann muss man sich einsetzen fürs Kino, für den Film.“
Johnnie To, 2023, zitiert nach Tilmann, 2023

Filme haben die Macht, Vorurteile auf- und abzubauen, Stereotypen zu erstellen oder zu hinterfragen und das Bewusstsein für verschiedene Lebensrealitäten zu schärfen. Filme haben eine Vorbildfunktion, und sie schaffen ein Gefühl von Identifikation. Ich schaue gerne Filme, in denen ich mich als nicht-binäre, lesbische Person wiederfinde. Ich finde, dass Filmfestivals eine Plattform bieten für Geschichten, die meist unterrepräsentiert sind und in der Mainstream-Kultur wenig Gehör finden. Insbesondere für die LGBTIQ+-Community, die immer noch mit Vorurteilen, Gewalt, Diskriminierung und Unsichtbarkeit konfrontiert ist, können solche Veranstaltungen einen sicheren Raum schaffen, in dem ihre Stimmen gehört werden.

So oder so ähnlich formuliert bin ich dann mit dieser Idee im Kopf  auf die Programmleitung des Brazikinos Jana Thiem zugegangen und es entstand sofort ein Vision:

Wir – die Begründer*innen des QFFG –  wollen, dass dieses Festival zu einem kulturellen Höhepunkt in Gmünd heranwächst und ein diverses Publikum anzieht. Durch das Festival schaffen wir einen sicheren Raum für LGBTIQ+-Personen und sorgen für die Sichtbarkeit von ihren queeren Lebenswelten. Unser Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen zusammenkommen, um sich zu vernetzen, sich von inspirierenden Filmen berühren zu lassen und in einen offenen Dialog über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zutreten. Damit leisten wir einen bedeutsamen Beitrag zur Förderung von Akzeptanz, Gleichstellung und der gesellschaftlichen Teilhabe von LGBTIQ+-Personen in Gmünd.

Wir stehen für eine gewaltfreie und respektvolle Atmosphäre, in der jede Person sich sicher und akzeptiert fühlt. Als unerschütterliche Werte lehnen wir Gewalt, Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und jegliche Formen von Diskriminierung strikt ab. Wir stehen solidarisch an der Seite der trans* Community und wollen keine „genderkritischen Feminist*innen“, sogenannte TERFs[1], in unseren Räumen genauso wenig wie Abtreibungsgegner*innen, Querdenker*innen oder AFD-Wähler*innen. Unser Leitbild verankert die Prinzipien von Solidarität, Gleichberechtigung und Respekt fest in unserer Kino- und Festivalkultur und dient als Leitfaden für unser Handeln, um eine liebevolle und vielfältige Gemeinschaft zu fördern und zu stärken.

 Das erste Queer Film Festival fand vom 02.-05. November 2023 im KKF/ Brazilkino statt An vier Tagen wurden fünf Programme gezeigt, die die LGBTIQ+ Lebenswelt repräsentieren. Zu sehen war auch ein Kurzfilmprogramm, das vom Hamburg International Queer Film Festival kuratiert wurde. Die Buchhandlung Fiehn beteiligte sich als Partner*in und stellte eine queere Büchersammlung zur Verfügung. Die Einnahmen daraus gingen komplett an die Rainbow Refugees – ein Projekt der AIDS-Hilfe Schwäbisch Gmünd, die geflüchteten Queers eine sichere Unterkunft bieten.

Literaturverzeichnis
> Studnik, J. (2023, 24. Januar). Was bedeutet TERF? Wie linke Transfeindlichkeit Rechtsextreme stärkt., freitag.de., Abgerufen am 14. März 2024, von https://www.freitag.de/autoren/joane-studnik/was-bedeutet-terf-wie-linke-transfeindlichkeit-rechtsextreme-staerkt
> Tilmann, C. (2023, 16. Februar). Berlinale 2023: Festival in Berlin eröffnet mit Selenskyi, Streiks, Klimaaktivisten und Stars. moz.de., Abgerufen am 14.März 2024, von https://www.moz.de/nachrichten/kultur/berlinale-2023-festival-in-berlin-eroeffnet-mit-selenskyi_-streiks_-klimaaktivisten-und-stars-69232315.html 

[1] Das Akronym TERF steht für Trans Exclusionary Radical Feminism, also trans* Personen ausschließender radikaler Feminismus. Radikale Feminist*innen bevorzugen in ihrer Selbstcharakterisierung meist den Begriff „genderkritisch“. Sie lehnen geschlechtliche Vielfalt und das Selbstbestimmungsgesetz ab, das die mitunter prekäre Lebenssituation von trans* Personen rechtlich erleichtern soll (Studnik, der Freitag, 2023).

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